Europäischer Datenschutztag – eine Nachbetrachtung

12. Europäischer Datenschutztag

Der 12. europäische Datenschutztag stand unter der Schirmherrschaft der Landesdatenschutzbeauftragten von Niedersachsen Barbara Thiel. Er fand zum Thema digitale Souveränität in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin statt.

Die Eröffnung durch Barbara Thiel

Die Eröffnung sprach Frau Thiel, wie gewohnt zuversichtlich in Bezug auf das schwierige Thema.

Die Vortragenden sprachen unter anderem davon, dass die DSGVO die Chance bietet, eine Art Datenschutzkodex zu etablieren. Es geht um Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit und Persönlichkeitsrechte auch im Web. Deutschland ist hier ein Vorreiter. Bisher haben von den Mitgliedsstaaten nur Österreich und Deutschland die DSGVO in nationales Recht umgesetzt. Wir können froh sein, Europa ist momentan der Maßstab für den Datenschutz und hat damit die Chance, diesen Standard auf Themen wir künstliche Intelligenz, elektronische Beweisführung u.ä. anzuwenden.

Ja, digitale Souveränität, ich hatte ja bereits vor der Veranstaltung meine Gedanken dazu kundgetan .

Interessant war der Vortrag von Frau Renate Nikolay. Kabinettchefin der EU-Kommission für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung. Auch sie sprach von einer europäischen Datenschutzkultur über die selbst Unternehmen wie Facebook & Co. froh sind, da sie nun einen Standard anwenden können, der weltweit anerkant ist.

personenbezogen – nicht personenbezogen

Prof. Dr. Nikolaus Forgó von der Universität in Wien sprach darüber, dass es schwer ist, personenbezogene Daten von nicht personenbezogenen Daten zu trennen. Er brachte das Beispiel einer Fitness-APP, die die „anonymisierten“ Nutzerdaten dazu verwendet, Kartenmaterial zu erweitern. Oftmals ist es eben durch die kluge Verkettung von vermeintlich nicht personenbezogenen Daten möglich, die tatsächliche Person zu identifizieren.

Er nannte vermeintlich kostenlose Dienste „over the top“ Dienste. Der Preis für die kostenlosen Dienste sind die Daten.

Auch nichts Neues, nur neue Beispiele, sehr kurzweilig vorgetragen.

netzpolitik.org hat das Beispiel sofort aufgegriffen 😉

Algorithmenethik

Dr. Sarah Fischer von der Bertelsmannstiftung sprach über Algorithmenethik.  Algorithmenbasierte Systeme haben den Zweck, Diskriminierungen zu vermeiden, trotzdem kämen Diskriminierungen vor. Sie nannte ein Beispiel aus den USA, in dem Menschen mit dunkler Hautfarbe diskriminiert wurden. Hier stellt sich mir sofort die Frage, warum man die Hautfarbe erfassen muß, wofür benötigt man diese Information? Also eigentlich überhaupt kein Agorithmenproblem, sondern ein Prozessproblem. Sie schlug unter anderem vor, den Quellcode von Softwareprodukten durch Experten genauer auf Schwachstellen, die zu Diskriminierungen führen können, genauer zu untersuchen.

Nun, ja, als Softwareentwickler hat mich dieser Vortrag in Erstauen versetzt. Ich entwickle Software seit 1986, diese Herangehensweise erscheint mir in einer Kurve hängengeblieben zu sein. Der Auftraggeber bestimmt die Algorithmen und der Kontrollzwang wohnt eben in jedem Menschen, natürlich werden Algorithmen bewußt dazu genutzt, um vermeintlich nicht beeinflußbare Auswahlverfahren dazu zu nutzen, eben doch die gewünschte Auswahl zu treffen. Hier hilft die Überprüfung der Anwendung zum Thema Datensparsamkeit.

Eher ein Vortrag mit sozialwissenschaftlicher Herangehensweise.

netzpolitik.org

Ein Highlight während des europäischen Datenschutztages war für mich Markus Beckedahl von netzpolitik.org. Mir gefiel auch, dass dies kein Vortrag war, sondern mit dem Moderator der Veranstaltung als Gespräch gestaltet wurde. Hier kamen Statements aus der Praxis, auch die Ambivalenz zwischen gesetzlichen Datenschutzregelungen und wirtschaftlichen Interessen wurde thematisiert. Hier wurden unsere Kanzlerin Frau Merkel und Herr Dobrindt zitiert, die natürlich in Bezug auf die Daten gerne aus dem Vollen schöpfen würden und die DSGVO mehr als Wirtschaftsverhinderungsinstrument ansehen. Natürlich, auf der einen Seite ist Datenhaltung wichtig für die Unternehmen, auf der anderen Seite steht der Datenschutz. Ein Drahtseilakt…

Ach, was könnte man mit Mautbrücken alles erfassen…

Europ. Datenschutztag – Mein persönliches Fazit

Der Datenschutztag war eine schöne Veranstaltung, sehr gut moderiert, interessante Redner. Leider war das Meiste einigermaßen praxisfern. Was mich gestört hat, ist die einseitige Betrachtung der Verantwortung. Die Regierung muss, die Unternehmen müssen, DSGVO soll regeln etc. Ich bin der Meinung, dass derjenige, der digitale Souveränität möchte, auch in die Pflicht genommen werden muß.

Wir werden alle mit Intelligenz geboren, lesen lernen wir in der Schule, jeder kann sich informieren. Immer anzuprangern, dass Schulen, die Regierung und R2D2 (oder wer auch immer) nicht genügend tun, finde ich einseitig und sehe es als ganz großes Problem in unserer Gesellschaft an. Wir sind eine Gesellschaft von Konsumenten geworden, immer meckern und schimpfen, aber nie selber Verantwortung übernehmen.

Wenn ich alle meine persönlichen Daten bei Facebook hochlade, dann habe ich mich selber aktiv dafür entschieden. Wenn ich Alexa nutze, ist nicht Amazon schuld, sondern ich habe es gekauft und Punkt. Und wenn ein Schaden entsteht, habe ich es wahrscheinlich einfach nur hingestellt und angeschaltet, mich aber nicht genügend damit auseinandergesetzt.

Ich übertreibe bewußt etwas, aber diese einseitige Verantwortlichkeit geht mir ganz entschieden gegen den Strich. Wir haben gute Gesetze, es ist aber auch eine Bürgerpflicht sich zu informieren. Souveränität eben! Wir können kein Gesetz erfinden, dass mich vor mir selbst schützt.

Es gab doch mal den Schnack: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Natürlich, Datenschutz durch Technik unterstützt die digitale Souveränität. Es ist gut, wenn die Grundeinstellungen zum Schutz der Nutzerdaten grundsätzlich sehr streng sind und ich sie als Nutzer dann lockern kann. So etwas sollte auf jeden Fall unterstützt werden.

Datenschutz durch Verantwortung?

ABER: Wenn sich die Menschen nicht informieren, ist nicht automatisch „werauchimmer“ schuld. Genau diese Menschen schaffen es ja sonst auch, sich über Ihre bevorzugten Themen zu informieren, Sport, Urlaub etc. Datenschutz ist einfach langweilig, ist ja klar, aber man kann nicht die Verantwortung abgeben. Bevor man die Dienste nutzt, kann man auch mal den „Beipackzettel“ lesen,

Eins meiner Lieblingsbeispiele: googlemail. Google hat in seinen Datenschutzbedingungen stehen, dass sie Inhalte von Mails lesen (ja, ja um die Werbeangebote zu verbessern und so). Wie viele Menschen kennt ihr, die ein google Mailkonto haben? Und jetzt mal, um zu provozieren, was passiert, wenn ihr zu einem solchen Nutzer nach Hause fahrt und dort die Post aufreißt? Ach, aber google darf das?

Der digitale Souveränität kann man sich meines Erachtens nur annähern, wenn man andere Geschäftsmodelle unterstützt. Ein Dienst, der kostenlos ist, kann dies nicht wirklich sein, das wäre nicht wirtschaftlich. Wir bezahlen den Dienst mit unseren Daten. Wenn ich meine Daten nicht hergeben möchte, dann muss ich dafür Penunzen, karibische Perlen etc. rüberrücken und gut. Früher haben wir auch Navigationsgeräte gekauft und für die Kartenupdates bezahlt. Wie oft nutzt Ihr jetzt den „kostenlosen“ google-Dienst maps? Die vielen Fernsehkanäle, die ihr vermeintlich benötigt, sind Euch ja auch ein paar Euros wert. Also entscheidet Euch souverän, welche Dienste Ihr nutzen wollt.

Sozusagen: Fairtrade im Internet, falls Ihr mir folgen könnt